Schwäbische Post Aalen: Ein Zuhause – was ist das?
Artikel auf der Jugendseite der Schwäbischen Post Aalen über Straßenhunde in Europa und die Arbeit des Tierschutzprojekt-Italien e.V. in Apulien:
von Karin Beuther
Straßenhunde in unseren Urlaubsländern landen oft in Tötungsstationen – junge Leute wollen sie retten
Eingepfercht in kleinste Käfige sitzen Funny, eine mittelgroße Hundedame mit hellbraunem Fell, und Oscar, ein kleiner einjähriger Dackeljunge mit langen Schlappohren, ihre letzten Stunden ab. Zehn andere Hunde sind mit ihnen in dem Zwinger auf vier Quadratmeter Fläche eingesperrt. Ein Zuhause kennen sie nicht – kannten sie nie. Vor 72 Stunden waren sie immerhin noch unter freiem Himmel, jetzt sind sie in einer von vielen Tötungsstationen in Spanien gefangen. Junge Leute in verschiedenen Tierschutzorganisationen hierzulande versuchen, ihnen zu helfen.
Italien, Ungarn, Griechenland, Spanien, Kroatien, Portugal, Türkei, Rumänien, Frankreich – schöne Länder, schöne Landschaften, Sonne, Meer, Urlaubsstimmung. Doch was sich im Hintergrund abspielt, wissen die Wenigsten. Hunde gelten in diesen Ländern als störendes Vieh, das beseitigt werden muss. Dazu gibt es Hundefänger, die freilaufende Hunde einfangen und in die sogenannten Tötungsstationen bringen. Die sind ausschließlich dafür da, die Hunde bis zu ihrer letzten Stunde aufzubewahren. Nachdem ein Hund eingeliefert wurde, bleiben ihm laut Sprechern des Deutschen Tierschutzbundes nur noch wenige Tage bis zu seinem Tod, wenn er bis dahin nicht gerettet wird.
Junge Leute in Hilfsorganisationen versuchen, die Hunde zu retten
Hilfsorganisationen wie „Hundeblicke“, „Tierwald“ oder „Tierschutzprojekt Italien“ versuchen schon lange, die Tiere an ein liebevolles Zuhause zu vermitteln. Die oft schwer misshandelten und gequälten Hunde haben so die Chance, dem Tod zu entkommen und zu erfahren, was es bedeutet ein Zuhause zu haben. Doch die wenigsten finden ein solches Zuhause. Es sind einfach zu viele. In Italien beispielsweise gibt es rund 1,5 Millionen Straßenhunde – jedes Jahr werden aufs Neue 100 000 bis 150 000 Haushunde ausgesetzt, informiert die Organisation „Tierschutzprojekt Italien“.
Getötet werden die Hunde auf unterschiedliche Weise. Sie werden erstickt, am lebendigen Leibe verbrannt, meist aber mit T61 (ohne Narkosemittel) eingeschläfert. Dies führt zu einer Atemlähmung und qualvollen Krämpfen bis zum Tod. Da das Mittel oft unterdosiert wird, um Kosten zu sparen, dauert der Todeskampf dazu noch mehrere Stunden.
Jedes gerettete Hundeleben ist ein wertvoller Schritt, doch erscheint jede Rettung angesichts der unzähligen Hunde in den Stationen wie ein Tropfen auf den heißen Stein. „Die Menschen in diesen Ländern haben einen ganz anderen Bezug zu Hunden als wir hier in Deutschland“, sagt Sonja Gollwitzer vom „Tierschutzprojekt Italien“. „Es ist sicherlich auch ein gesellschaftliches Problem: mangelnde Aufklärung und Vermittlung von Mitgefühl für Tiere.“ Kaum ein Hund sei kastriert, so können sich die Tiere ungehindert vermehren, die Zahl der herrenlosen Straßenhunde nimmt zu. Keiner kümmert sich darum – abgesehen von den Hundefängern.
„Tausende Hunde werden getötet. Dies ist äußerst grausam“, sagt Marius Tünte vom „Deutschen Tierschutzbund“. Und die Anzahl der Straßentiere verringere sich dadurch auch nicht. „Denn in den Haushalten kommen immer wieder neue Welpen zur Welt, die dann nicht selten ausgesetzt werden. Außerdem steigen die Überlebenschancen der Welpen auf der Straße. Denn diesen Tieren steht durch das Wegfangen und Töten der anderen Tiere mehr Futter zur Verfügung und sie besetzen die frei gewordenen Plätze“, erklärt er.
Eine Lösung für Tünte wäre, die Straßenhunde gebietsweise einzufangen, damit sie dann in einem Tierschutzzentrum medizinisch versorgt, geimpft, kastriert, gekennzeichnet – also gechipt – und anschließend in ihrem angestammten Platz wieder freigelassen werden.
Die Regierungen ignorieren das Problem der Straßenhunde meist. Oder es bestehen Gesetze, denen aber keine Beachtung geschenkt wird. Das italienische Tierschutzgesetz beispielsweise ist zwar sehr gut. Aber die Umsetzung bleibt aus. „Es gibt kaum staatliche Kontrollen. Die Einhaltung des Tierschutzgesetzes wird nicht geprüft oder im Auge behalten. Die Behörden tun konsequent nichts“, sagt Sonja Gollwitzer.
Im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern würden zwar in Italien seit einigen Jahren keine Hunde mehr getötet, das sei seit 1991 offiziell verboten. Gewonnen sei dabei aber nichts, denn nun bestehe ein neues Problem: Tierheimbesitzer und Firmen in Italien betreiben privat sogenannte Canili und sehen diese als „die Geschäftsidee“. In diesen Canili, die den Begriff „Hundehölle Italien“ geprägt haben, bleiben die Hunde nach dem Einfangen ihr Leben lang eingesperrt.
Hier stehen Tierschützer und helfende Hände nun meist vor verschlossenen Türen. Der Grund dafür: Jedes gerettete Tier bedeutet für die Canili-Betreiber einen Verlust. Denn sie bekommen pro Hund, den sie halten, einen Tagessatz von ein paar Euro. „Bei 1000 Hunden bringt das bis zu 7000 Euro pro Tag, also 210 000 Euro im Monat und damit etwa 2,5 Millionen im Jahr“, wie man auf der Internetseite Tierschutzprojekt Italien nachlesen kann.
Geld, das für die Hunde gedacht ist, wandert in die eigene Tasche
Dieses Geld wird leider jedoch nicht für die Hunde ausgegeben, also in Futter, tierärztliche Behandlung oder den Ausbau der Käfige investiert, sondern in die eigene Tasche gewirtschaftet. Die Hunde bekommen keinen Schutz vor Kälte oder Hitze, haben keine Liegeplätze, es gibt weder Freilauf noch Rückzugsmöglichkeit. Sie stehen bis zu den Knöcheln in ihren Exkrementen und die Infektionsgefahr ist durch die mangelnde Hygiene ausgesprochen hoch. Medizinische Behandlung gibt es für die überwiegend kranken Tiere jedoch nicht. Die Hunde bekommen nur so viel zu fressen und zu trinken, wie sie brauchen, um gerade noch am Leben zu bleiben. „Denn sterben dürfen sie nicht, nur ein lebender Hund bringt Geld“, sagt Gollwitzer. „Adoptionen sind von den Canili-Betreibern ebenfalls nicht erwünscht, da auch diese ihren Gewinn schmälern.“
Für Funny und Oscar in Spanien kommt leider jede Hilfe zu spät
Auch Funny und Oscar in Spanien warten verzweifelt noch auf ein Wunder, doch die Hoffnung schwindet von Minute zu Minute. Der Wärter steht nun am Gitter, die drei Tage sind abgelaufen, ihre Zeit ist gekommen. Die letzte Hoffnung, lebend wieder aus der Station herauszukommen, stirbt. Wie sehr haben sich Funny und Oscar danach gesehnt, eine streichelnde Hand zu spüren, einmal ein weiches Hundekissen berühren oder Spaziergänge durchs Grüne machen zu dürfen. Sie haben sich nichts sehnlicher gewünscht als Liebe und ein Zuhause.
Zum Artikel auf der Seite der Schwäbischen Post Aalen